Bauchspeicheldrüse-Info

Diabetes­behandlung
bei Erkrankungen der Bauch­speichel­drüse

(pankreapriver Diabetes Typ 3 c) -
eines der schwierigsten Probleme

Die Bauchspeicheldrüse produziert Hormone und Verdauungsenzyme und ist eine der größten Drüsen des menschlichen Körpers. Zusammen mit der Leber erfüllt sie zentrale Funktionen im Nährstoff- und Energiehaushalt. Neben der Verdauung wird vor allem die Blutzuckerregulation gesteuert.

Nach operativer Entfernung (= Pankreatektomie) kommt es sofort zum absoluten Mangel an Verdauungsenzymen (exokrine Funktion), so dass die Verdauung der Nahrung nicht mehr unterstützt wird. Aber auch gleichzeitig fehlen nach Pankreatektomie die wesentlichen Hormone (Insulin und Glukagon) für die Blutzuckerstoffwechselregulation im Körper. Obwohl Insulin subkutan ersetzt werden kann, fehlt durch Glukagon der Gegenspieler, um die Feinjustierung des Blutzuckers zu erreichen.
Die Folge ist eine instabile Blutzuckereinstellung mit einem schwierig einzuschätzenden Anfluten von Zucker im Blut. Hohe Blutzuckerspitzen bei schnellem Anstieg und sehr tiefe Blutzuckerwerte bis zur Hypoglykämie wechseln sich mehrfach am Tag ab. Es besteht ein sehr hohes Risiko für eine schwere Unterzuckerung (Hypoglykämie) oder Blut-Übersäuerung durch Fettverbrennung (Ketoazidose) bei absolutem Insulinmangel und/oder Fasten.

Blutzuckermessung

Die Blutzuckermessung ist die Grundlage einer erfolgreichen Blutzuckereinstellung. Neben der Wissensvermittlung muss eine Blutzucker-Selbstkontrolle praktisch gelernt werden. Barrieren, sich selbst zu stechen, müssen überwunden werden.
Die Motivation, im Alltag zuhause das Selbstmanagement in die Hand zu nehmen, muss gefördert werden. Ein strukturiertes Blutzuckermanagement ist die Grundlage für eine stabile Einstellung. Das beinhaltet, zu festgelegten Zeitpunkten mit einer verlässlichen Blutzuckermesstechnik zu messen. Die Dokumentation, das Speichern von Messergebnissen und die Interpretation der Messergebnisse muss erlernt werden. Aus den Ergebnissen sollte eine Handlung als Reaktion erfolgen.

Für die Blutzuckereinstellung werden Blutzuckermessungen zu 8 Zeitpunkten (nüchtern, vor sowie 1-2 Stunden nach den Hauptmahlzeiten, beim ZuBettgehen und nachts) benötigt. Jeder Mensch nach Pankreatektomie braucht neben einem Blutzuckermessgerät auch ein Messgerät zur  Ketonmessung. Bei Blutzuckerwerten über 250 mg/dl sollte zusätzlich zur Blutzuckermessung eine Ketonmessung erfolgen.

Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) und Flash Glukose Messung (FGM) ermöglicht viele einzelne Glukosewerte (Zuckerwerte) in kurzer Zeit rund um die Uhr. Dies bietet einen guten Überblick und die Möglichkeit einer besseren Blutzuckereinstellung.

Flash Glukose Messung (FGM)

Sehr praktikabel für Menschen nach Pankreatektomie ist der FGM. Das System benötigt keine Blutzuckersticks für die Kalibrierung und ist wasserresistent, so dass Duschen dabei kein Problem ist. Das System ist am Arm bis zu 14 Tage tragbar. Es bietet eine schmerzfreie BZ-Messung in einer Messfrequenz von einer Messung pro Sekunde. Die Abfrage liefert den aktuellen Blutzuckerwert und die Blutzuckerverläufe über die letzten 8 Stunden sowie den Blutzuckertrend. Das FMG ist eine starke Hilfe im Alltag zur Essenauswahl und Wirkung von Bewegung auf den Blutzucker sowie beim Selbstmanagement.

Empfehlung beim Essen und Trinken

Es werden bis zu 8 kleine Mahlzeiten pro Tag empfohlen. In der Nahrungszusammensetzung sollen die Fettmenge beschränkt und proteinreiche Lebensmittel bevorzugt werden. Es gibt keine Lebensmittelverbote, und persönliche Vorlieben helfen, eine ausreichende Kalorienzufuhr zu erreichen. Zu jeder Mahlzeit soll die Gabe von Enzymen eher großzügig als zu gering dosiert werden. Die Berechnung von Fettmenge für Enzyme ist nicht notwendig.

Um die Verdauung nicht zu stören, sollten Getränke zu den Mahlzeiten mit ca. 30 Minuten Abstand vor und nach der Mahlzeit eingenommen werden.

Therapieziele

Die Lebensqualität der Menschen nach Pankreatektomie zu erhalten und wenn möglich zu verbessern, ist das Hauptziel. Das macht eine intensive klientenzentrierte Betreuung erforderlich. Wichtig sind dabei die Vermeidung von unnötigen Beschränkungen und Verständnis für Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Diarrhoe und Obstipation.

Zu den medizinischen Zielen gehört die Verhinderung der Mangeler-   nährung und eine stabile Blutzuckereinstellung unter Vermeidung von Episoden einer Hypoglykämie, Ketoazidose oder Hyperglykämie (Blutzucker > 250 mg/dl). Die Blutzuckerziele sind nüchtern und vor dem Essen 100-120 mg/dl, 1 Stunde nach dem Essen 180 mg/dl.

Diabetesschulung

Der wichtigste erste Schritt ist eine Diabetesschulung. Menschen nach Pankreatektomie brauchen möglichst zeitnah ein einfühlsames Diabetes-Coaching im Rahmen einer Schulung, damit die Betroffenen den Schrecken vor dem Diabetes und die Überforderung verlieren.
Das Gefühl, den Diabetes selbst im Griff zu haben, muss erarbeitet sein. Diabetesschulung unterstützt das Verstehen von Diabetes und Gesundheitsrisiken. Schulung verstärkt die intrinsische Motivation, sich mit  Diabetes und dessen Selbstmanagement zu beschäftigen. Im Rahmen einer Schulung werden Verhaltensstrategien gefördert und praktische Befähigungen vermittelt. Dadurch soll sich eine positive Einstellung zu den Therapiezielen entwickeln.

Nadel und Injektionstechnik

Die Injektionsstelle sollte mit jeder Injektion gewechselt werden. Ein täglicher Wechsel ist nicht ausreichend! Die nächste Injektion muss mindestens in 2–3 cm Abstand von der letzten Injektionsstelle erfolgen.

Wird Insulin immer wieder in die gleiche Stelle injiziert, kann sich das Unterhautfettgewebe verändern - es wächst und vernarbt. Diese typische Veränderung heißt Lipohypertrophie. Manchmal wählen Diabetiker gerade solche Stellen für die Insulininjektion, da dieses veränderte Gewebe weniger schmerzempfindlich ist. Dadurch nehmen jedoch die Gewebeveränderungen weiter zu.
Auch die mehrfache Verwendung von Pen-Nadeln begünstigt die Entstehung von Lipohypertrophien: Eine wiederverwendete Nadel ist stumpfer und verletzt das Gewebe mehr als nötig. In einem solchen Gewebe ist die Durchblutung verändert und eine Insulininjektion führt deshalb zu schwankenden Blutzuckerwerten bei erhöhtem Insulinbedarf. Bei einer Injektion in gesundes Unterhautfettgewebe können dann unerwartete Unterzuckerungen auftreten.

Die Nadellängen 4 mm, 5 mm, 6 mm und 8 mm können von jedem erwachsenen Patienten, einschließlich der Menschen mit Übergewicht, verwendet werden. Es gibt keinen medizinischen Grund, Nadeln mit einer Länge von mehr als 8 mm für Erwachsene zu empfehlen.

Insulin­pumpen­therapie (Kontinuierliche subkutane Insulin­infusion) = CSII

Die Insulinpumpentherapie kommt der physiologischen Insulinsubstitution sehr nahe. Mit einer kontinuierlichen Insulinabgabe von schnell wirkendem Insulinanalogon kann die Basalrate individuell und stündlich programmiert werden. Ein Bolusexperte kann die Berechnung eines Insulinbolus für eine Mahlzeit unterstützen.

Verschiedene Bolusarten wie z. B. ein verlängerter Bolus oder ein Dualbolus können programmiert werden. Die Vorteile einer Pumpentherapie liegen in einem niedrigeren Tages- Insulinbedarf und niedrigen BE- Faktoren. Sie macht eine feinere Einstellung möglich. Die Korrektur hoher Werte ist einfacher. Eine Verminderung von Unterzuckerungen konnte nachgewiesen werden.
Die Anpassung der Insulintherapie bei unregelmäßiger Nahrungszufuhr, Bewegung oder Infekten, ist einfacher.

Nachteile sind lokale Infektion und Narbenbildung an der Kathetereintrittstelle, Katheterverstopfung oder  Diskonnektion sowie die Gefahr von Ketoazidose.

Das künstliche endokrine Pankreas - eine Zukunftsoption

Kontinuierliche Insulininfusion - Voraussetzung und Bestandteil von technischen Systemen auf dem Weg zum geschlossenen Regelkreis (closed loop). Weitere Bestandteile sind ein Blutzuckermessgerät zur Kalibrierung, ein Glukosesensor mit Transmitter und ein Computer zum Datenmanagement. Ein Zukunftsaspekt ist auch die Duale Pumpe mit Insulin und Glukagon.

Unterzuckerungen (Hypoglykämien)

Von einer Unterzuckerung spricht man ab einem Blutzucker unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) unabhängig von Symptomen! Ein Blutzucker 70 mg/dl (3,9 mmol/l) ist bei den meisten Menschen die Schwelle für Zuckermangel im Gehirn.
Unterzuckerung ist ein Zustand, der charakterisiert wird durch eine Stressreaktion des Körpers auf den Zuckermangel und/oder Zeichen des Zuckermangels im Gehirn sowie einen niedrigen Blutzuckerspiegel und ein Nachlassen der Symptome nach Kohlenhydratgabe. Wenn die Blutzuckerwerte zuvor sehr hoch waren, können Anzeichen einer Unterzuckerung auch bereits bei höheren Blutzuckerwerten wahrnehmbar sein.

Anzeichen der Unterzuckerung als Stressreaktion auf den Zuckermangel sind Schwitzen, Zittern, Herzrasen, Hunger, Angstzustände, Konzentrationsstörungen und Schwindel. Verwirrungszustände, Aggressivität und Bewusstlosigkeit sind bereits Hinweise auf einen Zuckermangel im Gehirn.

Hinweise auf eine nächtliche Hypoglykämie sind ein hoher Nüchtern-Blutzuckerwert, Kopfschmerzen beim Aufwachen oder sich am Morgen wie „gerädert“ fühlen. Außerdem können Alpträume während der Nacht, zerwühltes Bett und verschwitztes Nachthemd oder ein sehr unruhiger Schlaf während der Nacht auf eine nächtliche Hypoglykämie hinweisen.

Von einer schweren Unterzuckerung spricht man, wenn der Patient bei der Therapie der Hypoglykämie auf Fremdhilfe (z. B. durch Angehörige oder medizinisches Personal) angewiesen ist. Diese Form der Unterzuckerung stellt eine absolute Notfallsituation dar und muss ärztlich mitbetreut werden. Insbesondere müssen die auslösenden Ursachen entdeckt werden, um ein zweites Ereignis einer schweren Unterzuckerung zu verhindern.

 

Von besonderer Bedeutung ist die Entwicklung einer Störung der Hypoglykämie-Wahrnehmung.

Wiederholte Hypoglykämien führen zu einer Erhöhung der Wahrnehmungsschwelle, die mit einer bis zu 9-fach erhöhten Rate an schweren Hypoglykämien verbunden sein kann. Diese Patienten können zum Teil Blutzuckerwerte unter 2,0 mmol/l ohne spezifische Symptome aufweisen. Wahrnehmungsstörungen können aus Erfahrungsberichten der Patienten (niedrige Blutzuckerwerte ohne entsprechende Symptomatik) oder die Verwendung eines entsprechenden Fragebogens z. B. deDiabetes-Akademie Bad Mergentheim (unter www.hypos.de) evaluiert werden. Wahrnehmungsstörungen sind durch eine langfristig gute (aber nicht zu niedrige) Blutzuckereinstellung wieder zu beseitigen.

Als Grundregel der Unterzuckerung gilt bei den ersten Anzeichen einer Unterzuckerung „erst essen dann messen“.

Der Blutzucker kann bei den ersten Symptomen schon extrem niedrig und die Zeit für eine Selbstbehandlung der Unterzuckerung kann daher sehr kurz sein. Eine schnelle Reaktion und die Handlungsabläufe sollten trainiert werden. Traubenzucker oder entsprechendes zur Behandlung der Unterzuckerung („echte“ Cola, flüssiger Traubenzucker, Limonade, Fruchtsaft) muss immer dabei sein.

Nach 15 Minuten wird empfohlen, erneut den Blutzucker zu messen

Ist der Blutzucker höher als 120 mg/dl, ist die Gefahr gebannt. Zeitsparend und praktisch ist eine „Hypo-Box“, in der Traubenzucker ausgepackt in einer kleinen Dose aufbewahrt wird und immer mitgenommen werden kann. Bei einer Unterzuckerung sollte man 4 Plättchen Traubenzucker und danach langwirksame 2 BE zu sich nehmen.

Bei Bewusstlosigkeit im Rahmen einer Hypoglykämie können Angehörige Glukagon intramuskulär spritzen, um die schwere Unterzuckerung zu behandeln.

Glukagon-Nasenspray

Neu, aber  noch nicht in Deutschland zugelassen, ist ein Glukagon-Nasenspray (3 mg). Dieses ist genauso effektiv wie die im.-Spritze und wirkt innerhalb von 10-20 Minuten.

Bei häufigen schweren Unterzuckerungen und insbesondere bei Unterzuckerungs-Wahrnehmungsstörungen können speziell ausgebildete Hunde helfen und rechtzeitig vor der Unterzuckerung warnen.

Ketose/Ketoazidose

Ketonkörper werden in der Leber als alternatives Energiesubstrat produziert, wenn Glucose nicht mehr ausreichend zur Verfügung steht. Dies ist physiologisch und sichert die   Energieversorgung von insbesondere Herz- und Nervenzellen.

Ketose/extreme Ketogenese kann vorkommen bei sehr niedrigen Insulinspiegeln bzw. absolutem Insulinmangel, extremer Insulinresistenz, bei Hungerzuständen oder kohlehydratarmen Diäten. Ketosen sind auch möglich bei körperlichem Stress wie Infektionen oder bei längeren körperlichen Belastungen sowie bei Alkoholkonsum (Hemmung der Gluconeogenese). Ketoazidose ist eine stoffwechselbedingte Übersäuerung des Blutes (metabolische Azidose). Die diabetische Ketoazidose entsteht durch einen absoluten bzw. relativen Insulinmangel, der zu einem stark erhöhten oxidativen Fettabbau mit anschließender Bildung von sauren Ketonkörpern führt. Die Ketoazidose entsteht nur dann, wenn mehr saure Ketonkörper entstanden sind als Blut und Gewebe abpuffern können.

Die Ketoazidose nach Pankreatektomie wird besonders häufig ausgelöst, wenn das Basalinsulin vergessen wurde oder in seiner Wirkung keine 24 Stunden abdeckt. Ketoazidose ist eine Notfallsituation und muss ärztlich auch in leichten Fällen begleitet werden. Eine Ketoazidose kann sich schnell zu einem intensiv-medizinischen Notfall entwickeln.

Die Erstellung der neuen Homepage wurde durch eine Projektförderung der DAK Bundesebene nach
§ 20h SGB V unterstützt.