Bauchspeicheldrüse-Info

Doppeltes Leid. Ein Organ - zwei Funktionen.

EPI (Exokrine Pankreas­insuffizienz) und Diabetes liegen oft zusammen.

Bei von Tumoren, Entzündungen, Verdauungsenzymmangel und/oder Operationen der Bauchspeicheldrüse liegt häufig zusätzlich auch noch die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus vor. Wie ein Verdauungsenzymmangel und der Diabetes mellitus zusammenhängen, warum eine Enzymbehandlung nicht nur die Verdauungsbeschwerden verbessern kann und worauf Betroffene achten sollen, beschreibt der folgende Text.

Ein Organ – zwei Funktionen

Die Bauchspeicheldrüse hat zwei wichtige Funktionen – zum einen ist sie durch die Herstellung der Hormone Insulin und dessen Gegen- spieler Glucagon für die Regulation des Blutzuckers verantwortlich (endokrine Funktion), zum anderen bildet sie wichtige Verdauungsenzyme (exokrine Funktion) und leistet damit einen erheblichen Beitrag zur Verdauung und damit Verwertung der Nahrung und Aufrechterhaltung der Körperfunktionen.

Während die Hormone zur Blutzuckerregulation in den Langerhans´schen Inseln gebildet werden, werden die Verdauungsenzyme in den Azinuszellen produziert. Beide Regionen der Bauchspeicheldrüse liegen räumlich nah beieinander, sie haben gemeinsame Blutgefäße und werden durch gemeinsame Nervenfasern gesteuert. Wird das eine Zellgewebe durch Krankheiten, Infektionen oder Medikamente etc. zerstört, ist meist auch das andere betroffen. Das ist der Grund, warum ein Diabetes mellitus und eine exokrine Pankreasinsuffizienz, bei der die Bildung der Verdauungsenzyme beeinträchtigt ist, häufig zusammen auftreten.

Ob zunächst der Diabetes oder die exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI) vorliegt, ist noch nicht geklärt. Jedoch steht fest: Mehr als 2,7 Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland leiden auch an einer EPI. Diese ist bei jedem zweiten Menschen mit Typ 1 und etwa jedem dritten mit Typ 3c Diabetes, bei denen eine Erkrankung oder Operation der Bauchspeicheldrüse die Ursache für den Diabetes ist, können bis zu 83 Prozent betroffen sein, vor allem wenn die Bauchspeicheldrüse ganz oder teilweise entfernt wurde. Auf der anderen Seite hat jeder zweite von akuter Pankreatitis und 40-70 % der von chronischer Pankreatitis Betroffenen auch einen Diabetes mellitus.

Je länger ein Diabetes mellitus besteht, desto wahrscheinlicher ist es, dass neben der Insulin- und Glukagonbildung gleichzeitig auch die Produktion der Verdauungsenzyme abnimmt. Nachgewiesen wird die EPI jedoch meist über den Stuhltest auf Pankreas-Elastase 1. Dieses Markerenzym wird mit zunehmender Stärke der EPI geringer. In bildgebenden Verfahren ist dann oft auch eine zunehmend krankhafte Veränderung des Bauchspeicheldrüsengewebes zu sehen.

Wichtig! Bei Pankreaserkrankungen kann sich ein Diabetes mellitus einstellen.

EPI - Die Gefahr für den Blutzuckerspiegel

Durch die EPI wird hauptsächlich die Fettverdauung gestört. Unmittelbar nach dem Essen kommt es zu Durchfällen mit hohem Anteil von unverdautem Nahrungsfett, dem sogenannten Fettstuhl. Er ist lehmfarben, stechend scharf und riecht unangenehm. Er klebt in der Toilettenschüssel oder schwimmt im Spülwasser obenauf. Über Monate und Jahre immer wieder auftretende Durchfälle und Fettstuhl sind lästig und beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen sehr. Eine gestörte Verdauung durch zu wenig Verdauungsenzyme kann sich aber auch negativ auf die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse auswirken. Zu wenig Insulin wiederum reduziert die Bildung der Verdauungsenzyme - ein Teufelskreis.

Eine EPI-bedingte Verdauungsstörung bei Diabetes kann daher erhebliche Auswirkungen auf die Blutzuckereinstellung haben: Der Blutzuckerspiegel kann im Tagesverlauf deutlich schwanken (zwischen 50 und 350 mg/dl), beim insulinpflichtigen Diabetes kann auch der Insulinbedarf hoch und unregelmäßig (ca. 4-mal täglich) sein. Die Ent- gleisungen können selbst dann auftreten, wenn der HB1c-Wert (Maß für den Blutzuckergehalt im Blut) im Normbereich oder nur knapp darüber liegt (bei 4,4 - 6,5 % Norm). Treten solche Schwankungen auf, obwohl die Diabetes-Medikation nicht geändert wurde, ist eine EPI als Auslöser sehr wahrscheinlich. Nach dem Essen auftretende Blähungen, Völlegefühl, Durchfälle und Fettstuhl erhärten den Verdacht.

Da eine länger bestehende EPI zu einer Mangelernährung führen kann, ist ein hageres Aussehen, ungewollter Gewichtsverlust und ein niedriger BMI (Body Mass Index), sofern diese nicht auf einen Tumor zurückzuführen sind, ein deutliches Alarmzeichen für eine EPI. Dies gilt insbesondere für Typ 2-Diabetiker, die normalerweise mit Übergewicht zu kämpfen haben.
Betroffene mit diesen Symptomen und Blutzuckerschwankungen  sollten sich unbedingt an ihren behandelnden Arzt wenden, denn es besteht sowohl die Gefahr einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) als auch einer Übersäuerung des Blutes (Ketoazidose). Beide können Krankenhausaufenthalte notwendig machen und diabetische Folgeschäden nach sich ziehen.

Warnzeichen bei EPI + Diabetes

  • Durchfälle, Fettstuhl, Blähungen, gürtelförmige Oberbauchschmerzen, im Tagesverlauf stark schwankende Blutzuckerspiegel,
  • schlecht einzustellender Blutzucker,
  • gesteigerter Insulinbedarf,
  • hagere Statur, niedriger BMI, ungewollte Gewichtsabnahme.

Sonderfall Pankreatektomie

Bei einer Bauchspeicheldrüsenoperation werden, je nach OP-Art, unterschiedliche Teile der Bauchspeicheldrüse entfernt. Bei der Whipple-Operation wird neben dem Zwölffingerdarm, der Gallenblase, Teile der Gallenwege und eventuell auch ein Teil des Magens (Magenteilresektion) oder der Milz sowie der Kopf der Bauchspeicheldrüse entfernt. Dort liegen viele Azinuszellen.
Daher kann die Bauchspeicheldrüse nach einer Whipple OP und nach einer vollständigen operativen Entfernung der Bauchspeicheldrüse, weniger bzw. keine Verdauungsenzyme mehr bilden. Der Betroffene wird enzympflichtig.

Bei einer Pankreasschwanz-Resektion werden Teile des Pankreaskörpers, des Pankreasschwanzes und der Milz entfernt. Im Schwanz der Bauchspeicheldrüse befinden sich vor allem die insulinproduzierenden Langerhans´schen Inseln. Sowohl eine Bauchspeicheldrüsenoperation als auch die Entfernung des Pankreasschwanzes haben zur Folge, dass der Körper gar kein oder nicht mehr genügend Insulin produzieren kann. Somit besteht ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 3 c und somit die Gefahr von Unterzuckerung.

Hilfe für Verdauung und Blutzuckereinstellung

Die einzige Therapiemöglichkeit bei einer EPI ist die Einnahme von Arzneimitteln mit Verdauungsenzymen. Diese verrichten die Arbeit der fehlenden körpereigenen Verdauungsenzyme und schließen Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße in der Nahrung auf.
So werden EPI-typische Beschwerden wie Durchfälle und Blähungen reduziert oder sie treten gar nicht mehr auf. Studien haben gezeigt, dass Verdauungsenzyme nicht nur EPI-Symptome mindern. Auch der Blutzucker lässt sich durch die konsequente Einnahme von Verdauungsenzymen während der Haupt- und Zwischenmahlzeiten sowie zu fetthaltigen Getränken besser einstellen und es kommt seltener zu Entgleisungen. Sogar der Insulinbedarf kann bei Typ 1-Diabetikern unter Umständen durch eine Enzymsubstitution reduziert werden, sofern noch genügend Bauchspeicheldrüsengewebe mit Langerhans´schen Insel- zellen vorliegt (gilt nicht bei Betroffenen, bei denen die Bauchspeicheldrüse komplett entfernt wurde).

Verdauungsenzyme und ihre Anwendung

Für die Enzymersatztherapie stehen Arzneimittel mit Verdauungsenzymen aus Schweinepankreas (Pankreatin als Pellet in Kapseln oder Granulat) oder aus Reispilzen (Rizoenzyme als feines Pulver in Kapseln) zur Verfügung.
Diese Verdauungsenzyme können bei einer nachgewiesenen EPI vom Arzt verordnet und auch von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden.

Wichtig: Wenn man sie braucht, sind sie lebensnotwenig und müssen vom Arzt verschrieben und von den Kassen bezahlt werden.

Wie unterscheiden sich die vegetarischen von den tierischen Enzymen?
Die vegetarischen Rizoenzyme unterscheiden sich vom tierischen Pankreatin neben der Herkunft auch durch ihre Säurestabilität. Sie wirken bei pH 3-9 und können mit der Verdauung der Nahrung schon im sauren Magen beginnen und im Dünndarm fortsetzen. So haben sie mehr Zeit für die Verdauung als das säuresensible Pankreatin, das mit einem magensaftresistenten Überzug versehen ist und erst im Dünndarm wirken kann (pH 5-7).

Das wirkt sich auf die Dosierung aus: Für die Therapie der EPI werden weniger Enzymeinheiten der Rizoenzyme benötigt und die Enzymmenge wird kapselweise dosiert und muss nicht nach dem Fettgehalt der Nahrung errechnet werden. Die Kapseln enthalten daher nur 7.000 F.I.P.-Einheiten der Rizolipase, statt 10.000 bis 40.000 Einheiten Lipase bei tierischem Pankreatin. Betroffene sollten sich an die Empfehlungen der Hersteller, z. B. in der Packungsbeilage/Patienteninformation sowie die der behandelnden Therapeuten halten.

Das tierische Pankreatin aus der Schweinepankreas wird nach dem Fettgehalt der Nahrung berechnet: 1 g Fett 2.000-5.000 E. Die Enzympräparate sollten in einem sauren Milieu (pH unter 5,0) wie z. B. im Magen säuregeschützt vorliegen, um nicht vorzeitig inaktiviert zu werden. Steigt der pH über 5,0 (im Zwölffingerdarm), sollten die Präparate ihre Wirkung entfalten und aktive Enzyme freisetzen.
Wichtig! Tierisches Pankreatin und vegetarische Rizoenzyme werden unterschiedlich dosiert. Doch beide Enzyme haben ihren Stellenwert und können auch miteinander kombiniert werden.

Praktische Hinweise für die Enzymeinnahme

Sowohl für Pankreatin als auch für die Rizoenzyme gilt: Je schwerer die EPI und je ausgeprägter die Beschwerden, desto mehr Enzyme müssen eingenommen werden. Treten trotz Enzymeinnahme noch Beschwerden auf, sollte die Enzymmenge daher erhöht werden. Die EPI kann beispielsweise auch fortschreiten, so dass immer weniger Verdauungsenzyme gebildet werden und durch mehr Enzyme von außen ersetzt werden müssen als zu Beginn der Therapie.

Auch bei besonders fettigen Mahlzeiten und großen Portionen oder einer Ernährungsumstellung, beispielsweise, wenn nach einem Klinikaufenthalt zu Hause langsam der Appetit wieder zurückkehrt und mehr gegessen wird, kann es von Vorteil sein, die Enzymmenge zu erhöhen. Eine Überdosierung der Enzyme ist nicht zu befürchten, da diese vom Körper nicht aufgenommen, sondern mit dem Stuhl ausgeschieden werden.

Verdauungssituation beim Diabetes

Bei einer schweren EPI, wie sie häufig bei Menschen mit Diabetes und nach einer Bauchspeicheldrüsenoperation vorliegt, müssen die Verdauungsenzyme im sauren Umfeld arbeiten, weil die Bauchspeicheldrüse kein Bicarbonat mehr produzieren kann, mit dem der saure Nahrungsbrei aus dem Magen neutralisiert wird.

Bei manchen gelangt der saure Speisebrei auch zu schnell in den Dünndarm (Sturzentleerung) oder der Speisebrei bleibt wegen diabetischen Nervenschädigungen zu lange im sauren Magen (Gastroparese/diabetische Neuropathie).
Eine Übersäuerung wird vom Therapeuten nicht gemessen. Bei nicht zufriedenstellender Wirkung von Pankreatin sollte die Möglichkeit einer Übersäuerung aber mitbedacht werden. In den genannten Fällen werden zu dem säuresensiblen Pankreatin dann häufig auch Säureblocker (PPI) eingenommen, damit die tierischen  Enzyme arbeiten können.
Es können aber auch gleich säurestabile Rizoenzyme eingesetzt werden, die keine zusätzliche Komedikation benötigen, da sie sowohl im sauren als auch im neutralen Dünndarm wie auch im sauren Magen arbeiten.

Wichtig! Beim Diabetiker mit schwerer EPI und nach Bauchspeicheldrüsenoperation ist der Dünndarm übersäuert.

Ernährung bei Diabetes + EPI

Werden bei einer EPI Verdauungsenzyme eingenommen, können alle Nährstoffe gespalten und vom Körper aufgenommen werden. Eine spezielle EPI-Diät ist daher gar nicht notwendig. Im Gegenteil: Fett darf nicht vom Speiseplan gestrichen werden, ein Fehler, den viele Betroffene aus Angst vor möglichen Durchfällen immer wieder be- gehen. Ein Fettverzicht kann zu Mangelernährung und einer    Unterversorgung mit Energie und wichtigen fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) führen.

Bei einem bereits vorliegenden Enzymmangel können bis zur Normalisierung vorübergehend Vitaminsupplemente eingenommen werden. Auch die Einnahme von MCT-Fetten (mittelkettige Triglyceride), die vom Körper aufgenommen werden können, auch wenn kein fettspaltendes Enzym vorliegt, ist eine Übergangslösung.

Die Ernährung unter einer Enzymsubstitution sollte möglichst ausgewogen sein. Um die Bauchspeicheldrüse nicht weiter zu schädigen, sollte jedoch auf Alkohol und Tabak verzichtet werden. Eventuell kann individuell für einen gewissen Zeitraum auf ballaststoffreiche und blähende Nahrungsmittel verzichtet werden. Des Weiteren sollten zwingend die Ernährungsempfehlungen hinsichtlich des Diabetes mellitus und des Dumpingsyndroms nach Entfernung von Magenteilen befolgt werden.
Wichtig! Auch wenn häufig empfohlen wird, zu den Mahlzeiten nichts oder wenig zu trinken, die Flüssigkeitsmenge zur Einnahme der Verdauungsenzyme während der Mahlzeiten ist notwendig.

Wir danken Herrn Dr. Stephan Kress, Leiter des Diabetes Zentrums am Vinzentius-Krankenhaus Landau, für seine medizinische Unterstützung.
Katharina Stang

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