Bauchspeicheldrüsenkrebs
(exokrines Pankreaskarzinom)
Entstehung, Ursachen, Verteilung
In Deutschland erkranken jährlich ca. 14.000 Menschen an einem Pankreaskarzinom. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Männern bei ca. 67 Jahren und bei Frauen bei ca.74 Jahren Als Todesursache rangiert das Pankreaskarzinom an vierter Stelle der Krebserkrankungen und ist damit für ca. 6 - 8 % aller Krebstodesfälle verantwortlich.
Eine Heilung ist (derzeit noch) nicht möglich und das Langzeitüberleben bei dieser Erkrankung ist die Ausnahme. Ursächlich hierfür ist einerseits das meistens fortgeschrittene Stadium bei Erstdiagnose und andererseits die aggressive Tumorbiologie mit einer frühen Metastasierung mit der Folge, dass das Pankreaskarzinom generell als eine Allgemeinerkrankung anzusehen ist.
Diese tumorbiologische Eigenschaft ist sehr wichtig für das Verständnis der aktuellen Therapieempfehlungen, insbesondere bei Therapieansätzen, die auf eine verbesserte örtliche Kontrolle zielen. Zusammengefasst besitzt das Pankreaskarzinom von allen Krebserkrankungen die schlechteste Heilungschance und übertrifft hier sogar noch die ebenfalls mit einer sehr schlechten Prognose einhergehenden bösartigen Lungentumoren.
Selbst mit nachfolgenden chemotherapeutischen Therapiemaßnahmen ist nach einer heilend intendierten R0-Resektion (vollständige Tumorentfernung) eines Pankreaskarzinoms eine Heilung nur in ca. 20% der Fälle möglich, das durchschnittliche Überleben liegt bei ca. 22 Monaten. Im lokal fortgeschrittenen inoperablen oder metastasierten Stadium liegt das durchschnittliche Überleben auch unter Zuhilfenahme multimodaler Therapieverfahren nur zwischen 7 und 15 Monaten.
Ursache, Risikofaktoren
Im Gegensatz zu den eher geringen therapeutischen Innovationen wurden in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte beim Verständnis der Entstehung des Pankreaskarzinoms erzielt. Beim sporadischen exokrinen Pankreaskarzinom konnten in den letzten Jahren auf molekularer Ebene eine Reihe genetischer Defekte identifiziert werden. Diese genetischen Veränderungen wurden in den letzten Jahren mit verschiedenen Vorläuferläsionen, den sog. pankreatischen intraepithelialen Neubildungen (PanINs), welche auf strukturellen Kriterien basieren, korreliert. Eine Schlüsselstellung bei den genetischen Veränderungen nimmt die KRAS-Mutation in der Stammzelle des Pankreas ein, da die KRAS-Mutation früh in der Progression auftritt, PanINs-Läsion induziert und letztlich zur Entstehung eines Pankreaskarzinoms führt.
Das komplexe Zusammenspiel genetischer Veränderungen und Identifizierung weiterer noch unbekannter genetischer und immunologischer Faktoren bei der Entstehung des Pankreaskarzinom sind Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen.
Neben genetischen Faktoren wurden Umweltfaktoren wie Rauchen und Übergewicht als prädisponierende Faktoren für die Entstehung eines exokrinen Pankreaskarzinoms definiert. Deshalb wird eine Vermeidung von Übergewicht und eine Vermeidung von Tabakkonsum zur Reduktion des Pankreaskarzinomrisikos empfohlen. Verschiedene Tumorsyndrome, die auf Veränderungen in einem Gen beruhen (Monogenität) sind mit einem erhöhten Risiko für ein Pankreaskarzinom assoziiert. Daraus ergeben sich entsprechende Empfehlungen für Prävention und Vorsorge, die in den aktuellen S3 Leitlinien der Deutschen Krebsgeselschaft beschrieben sind.
Risikogruppen
Sporadisches Pankreaskarzinom in der Familie.
Verwandte 1. Grades von Patienten mit Pankreaskarzinom haben ein im vgl. zur Normalbevölkerung 2- bis 3-fach erhöhtes Risiko, ebenfalls an einem Pankreaskarzinom zu erkranken. Eine Empfehlung für intensivierte Reihenuntersuchungen mittels bildgebender Untersuchungsverfahren und spezieller Präventionsmaßnahmen besteht aber nicht.
Familiäres Pankreaskarzinom (FPC)
Definition: Vorliegen von mindestens 2 erstgradigen Verwandten in einer Familie mit einem Pankreaskarzinom bei klinischem bzw. familienanamnestischem Ausschluss eines anderen erblichen Tumorsyndroms.
In Deutschland erfüllen ca. 1 bis 3 % aller Pankreaskarzinompatienten FPC-Kriterien. Das Risiko eines erstgradigen Verwandten für die Entstehung eines Pankreaskarzinom ist bei 2 Erkrankten in der Familie 18-fach erhöht und kann bis auf das 57-fache Risiko ansteigen, wenn 3 und mehr Familienmitglieder an einem Pankreaskarzinom erkrankt sind. Eine Empfehlung zur intensivierten Primärprävention von Familienangehörigen einer SPC-Familile besteht aber nicht.
Falls von Betroffenen gewünscht, kann eine genetische Beratung durchgeführt werden. Eine prädiktive Gendiagnostik wird aber aktuell außerhalb von Studien nicht empfohlen, da ein spezifischer Gendefekt für das SPC nur in einer kleinen Subgruppe nachgewiesen werden kann.
Vorbeugung/ Untersuchung
Eine medikamentöse Vorbeugung zur Verminderung des Pankreaskarzinomrisikos ist derzeit nicht belegt. Die Vermeidung von Übergewicht u.a. durch körperliche Bewegung wird empfohlen. Verzicht auf Rauchen und Vermeidung von Passivrauchen wird ebenfalls empfohlen. Ansonsten existieren keine spezifischen Diätempfehlungen.
Trotz des erhöhten Risikos für ein Pankreaskarzinom bei den monogen erblichen Tumorsyndromen werden keine intensivierten Vorbeugungs- oder Untersuchungsprogramme empfohlen. Ähnliches gilt für Patienten mit chronischer Pankreatitis und Diabetes mellitus Typ2, Erkrankungen, welche ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für ein Pankreaskarzinom assoziiert sind.
Vorgeschaltete Therapie-Ansätze
Zur Durchführung einer neoadjuvanten, der Operation vorangestellten Chemotherapie oder Radiochemotherapie beim primär operablen Pankreaskarzinom liegen keine Daten aus prospektiven randomisierten Phase-III-Studien vor. Ob sich die theoretisch verbesserte Lokalkontrolle unter Berücksichtigung der frühen systemischen Metastasierung des Pankreaskarzinoms in ein verbessertes Gesamtüberleben projizieren lässt, ist daher unklar. Deshalb besteht insbesondere für die toxische Radiochemotherapie bei primär resektablen Pankreaskarzinomen außerhalb von Studien keine Indikation.
Nachfolgende Therapie-Ansätze
Trotz einer R0-Resektion (mikroskopisch vollständige Tumorentfernung) eines Pankreaskarzinoms erleiden über 90 % ein lokales oder auf den gesamten Körper bezogenes Tumorrezidiv. Die durchschnittlichen Überlebenszeiten liegen nach R0-Resektion eines Pankreaskarzinoms zwischen 17 und 28 Monaten, das 5-Jahres-Überleben liegt deutlich unter 20 %. Nachfolgende Therapie-Verfahren haben daher das Ziel, das Lokalrezidiv- und Fernmetastasierungsrisiko zu senken um ein verbessertes Gesamtüberleben der R0-resezierten Pankreaskarzinom-Patienten zu erreichen. Prinzipiell gibt es 2 adjuvante Therapie-Konzepte zur Verbesserung der Prognose:
- die adjuvante Chemotherapie
- die adjuvante Radiochemotherapie
Die S3-Leitlinie empfiehlt nach R0-Resektion eines Pankreaskarzinoms in allen nicht metastasierten Stadien eine adjuvante Chemotherapie, die einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber der alleinigen Operation erzielt. Dagegen konnte bisher kein Überlebensvorteil für eine adjuvante Radiochemotherapie nach R0-Resektion eines Pankreaskarzinoms gefunden werden.
Die adjuvante Chemotherapie sollte mit Gemcitabine über 6 Zyklen durchgeführt werden. 5-FU ist gleichwertig, aber toxischer und nicht so patientenfreundlich. Die Leitlinien sehen keine generelle Altersbeschränkung bei der Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie vor, entscheidend ist hier das biologische Alter und der Allgemeinzustand.
Multimodales Vorgehen nach R1-Resektion
Therapie-Maßnahmen nach R1-Resektion (mikroskopisch im Körper verbliebene Tumorreste) eines Pankreaskarzinoms sind definitionsgemäß nicht mehr adjuvant sondern additiv palliativ zu beurteilen, da eine Heilung nach R1-Resektion in den wenigsten Fällen erreicht werden kann. Die Leitlinien empfehlen beim R1-resezierten Pankreaskarzinom als Primärmaßnahme eine additive Chemotherapie mit Gemcitabine über 6 Monate. Dagegen hat die Leitlinien-Kommission die Radiochemotherapie zwar nicht generell empfohlen, aber für individuell zu diskutierende Einzelfälle eine Option offen gehalten. Um hier eine toxische Übertherapie zu vermeiden, bestände die Möglichkeit, eine Chemotherapie mit Gemcitabin für 3 Monate zu verabreichen und nur diejenigen Patienten einer Radiochemotherapie zuzuführen, die keinen Progreß während dieser Chemotherapie aufweisen (tumorbiologische Auswahl).
Palliative Therapie
In der Palliativsitutation mit Fernmetastasen sind 2 klinische Szenarien zu berücksichtigen:
- einerseits das lokal fortgeschrittene inoperable Pankreaskarzinom
- und andererseits das fernmetastasierte Pankreaskarzinom.
Lokal fortgeschrittenes inoperables Pankreaskarzinom
Für diese Patientenpopulation ist die optimale Therapie noch nicht definiert. Die kombinierte Radiochemotherapie ist theoretisch bei dieser Situation ein interessantes Konzept, da aufgrund der hohen lokoregionären Wirksamkeit, gerade bei fraglich oder grenzwertig operierbaren Tumoren, in Einzelfällen eine sekundäre Operationsmöglichkeit wieder hergestellt werden kann. Unter Berücksichtigung der deutlich höheren Toxizität im Vergleich zu einer Chemotherapie hat die Leitlinienkommission beschlossen, dass die Radiochemotherapie beim lokal fortgeschrittenen, inoperablen Pankreaskarzinom derzeit kein Standard ist. In Einzelfällen ist aber ein Nutzen möglich, indem durch ein Down-Staging eine erneute Operationsfähigkeit erreicht werden kann.
Das Konzept der Radiochemotherapie ist insofern problematisch, da bei fast allen Patienten in diesem Stadium meistens schon eine subklinische Metastasierung vorhanden ist, womit ein Nutzen durch dieses aggressive multimodale Vorgehen nicht gegeben ist. Evtl. besteht analog zur R1-Situation die Option, durch eine initial additive Chemotherapie eine tumorbiologische Selektion von Patienten zu erreichen, die bei fehlendem Auftreten von Fernmetastasen während der Induktionschemotherapie dann von einer anschließenden intensivierten Radiochemotherapie profitieren könnten. Entsprechende Studienkonzepte sind in Planung.
Zusammengefasst ist die palliative Chemotherapie weiterhin als Standard beim lokal fortgeschrittenen inoperablen Pankreaskarzinom anzusehen.
Fernmetastasiertes Pankreaskarzinom
Beim metastasierten Pankreaskarzinom gilt eine Gemcitabine-Monotherapie weiterhin als Behandlungs-Standard. Intensivere Kombinationstherapien haben in zahlreichen randomisierten Studien gegenüber der Gemcitabine-Monotherapie entweder keinen Vorteil oder nur einen Trend zu einer Überlebensverlängerung gezeigt.
Bei Versagen der Erstlinientherapie kann eine Zweitlinientherapie mit Oxaliplatin und 5-FU durchgeführt werden. Insbesondere bei gutem Allgemeinzustand des Patienten, Patientenwunsch, ggf. insuffizienter Vorbehandlung oder gutem Tumoransprechen in der Erstlinientherapie ist dies eine realistische Option.
Eine Indikation für eine palliative Strahlentherapie besteht bei symptomatischen Metastasen der Knochen und des Gehirns.
Prof. Dr. M. Geißler